Unsere Berater Markus Patas und Niko Möls hatten die Chancen, mit dem Geschäftsführer der MT.DERM GmbH über ein Projekt im Bereich Künstlicher Intelligenz (kurz: KI) zu sprechen. Jörn Kluge spricht über die grundsätzliche Idee der Predictive Maintenance (kurz: PM) und warum es die Lösung nicht über einen vollfunktionsfähigen Prototyp hinausgeschafft hat. Einen ausführlichen Projektbericht finden Sie außerdem hier.
Herr Kluge, was hat Sie dazu motiviert, Künstliche Intelligenz und insbesondere Predictive Maintenance einzusetzen?
Unser Grundgedanke ist, dass wir ein sehr produktorientiertes Unternehmen sind. Deshalb steht für uns die Kernleistung unserer Produkte im Vordergrund. Diese umfasst auch, dass unsere Produkte jederzeit verfügbar sind und nicht während der Behandlung aussteigen.
Daher kam der Gedanke auf, dass es relevant sein könnte festzustellen, dass ein Produkt ausfällt, bevor es dies wirklich tut. So könnten wir dem Kunden garantieren, während einer Behandlung immer ein funktionsfähiges Produkt zu haben, egal ob dieser tätowiert oder eine Narbe behandelt.
Wie sah dann der genaue Anwendungsfall aus? Wie genau setzen Sie Predictive Maintenance bei Ihnen und Ihren Kunden ein?
Der Kerngedanke war, dass wir erkennen wollten, dass das Produkt kaputt geht, bevor es tatsächlich aussteigt. So könnten wir dem Kunden ein Ersatzprodukt schicken, bevor er kein funktionsfähiges Gerät mehr hat. Wir hatten aber noch weitere Gedanken, die Synergien mit den Bemühungen um Predictive Maintenance geboten haben. So zum Beispiel die Anbindung an das Internet, die uns hätte weitere Benutzerdaten zur Verfügung stellen können. Auch hatten wir die Idee, das Verbrauchsmaterial in Form der sterilen Nadeln mit RFID anzubinden, um den Verbrauch zu messen und z.B. Neubestellungen rechtzeitig anzubieten und das Lager der Kunden aufzustocken.
Welche Voraussetzungen mussten Sie schaffen, um das die KI einzusetzen? Hatten Sie das nötige Know-How bereits im Unternehmen?
Wir mussten neue Sensorik in das System integrieren. Allerdings ergab sich die Möglichkeit auf der bestehenden Elektronik aufzubauen. So konnte eine Platine im Handstück mit der neuen Sensorik versehen werden.
Ein Großteil des notwendigen Fachwissens zur Elektronik und Sensorik hatten wir bereits im Unternehmen. Dennoch haben wir zur Elektronik mit externer Hilfe zusammengearbeitet. Für die Auswertung, insbesondere das Data Mining, hatten wir noch nicht die notwendige Erfahrung und haben deshalb mit einer weiteren Berliner Firma kooperiert.
Wir sind Sie im Projekt vorgegangen? Welchen Einfluss hatten die Anforderungen Ihrer Kunden?
Wir sind Schritt für Schritt vorgegangen und haben in Testgeräte verschiedene Sensoren, etwa einen Lagesensor, einen Vibrationssensor und ein Mikrofon eingebaut. Hier hat sich interessanterweise herausgestellt, dass das Mikrofon der beste Prädiktor gewesen ist, da das Geräusch des Motors die beste Vorhersage für einen möglichen Ausfall darstellt. Auf der anderen Seite war das für den Datenschutz eine sehr kritische Erkenntnis, da über das verwendete Mikrofon auch Stimmen hätten erkannt werden können.
Wir haben viele verschiedene Daten anhand von internen Tests generiert und dann die Testgeräte an einzelne Anwender rausgegeben. Der Prozess hat sich dabei über rund ein Jahr gezogen. Daraus folgte eine Überforderung mit der Auswertung und führte dann dazu, dass ein Partner für diese Auswertung und für die Umsetzung eines funktionellen Prototyps, der die technischen Anforderungen erfüllt, gefunden werden musste.
Sie haben es bereits gerade an zwei Stellen angesprochen: Was waren die größten Herausforderungen und Hindernisse in Ihrem KI-Projekt?
Die Herausforderungen lagen weniger auf der technischen Seite, bis auf die Frage nach der Internetanbindung der Geräte beim späteren Nutzer. Über eine für die häufig mobilen Tätowierer notwendige mobile Internet-Verbindung wären monatliche Kosten angefallen. Auch unser hoher Qualitätsfokus hat sich als eines der „Probleme“ bemerkbar gemacht. Wenn die Produkte sehr selten kaputt gehen, dann braucht niemand Predictive Maintenance.
Am Ende haben sich die Kosten (insbesondere laufende Kosten) von PM, aufgrund der geringen Zahlungsbereitschaft der Kunden, nicht als refinanzierbar erwiesen.
Sie haben den Gedanken nicht weiterverfolgt. Welches Fazit können Sie aus dem Projekt für MT.DERM GmbH und sich selbst ziehen?
Wir haben festgestellt, dass nicht das Steuergerät, sondern das Handstück das wichtigste am Produkt ist, da dieses für die Präzision und das Arbeitsergebnis die höchste Relevanz besitzt. Wir konnten also gewisse Erkenntnisse mitnehmen und haben daraufhin auch Budget umgeschichtet und in die mechanische Entwicklung der Produkte und Steril Produkte verlegt. Dadurch haben wir uns inzwischen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Auch halten wir uns offen, einige dieser Ideen für spätere Differenzierungsstrategien wieder aufzunehmen. Außerdem haben wir durch das Projekt viel im Bereich der Sensorik gelernt, was die Kompetenz unserer Mitarbeiter weiter erhöht.
Ich kann also für die Zukunft sagen: Wenn ich mehr über das Thema erfahre und sich interessante Bereiche ergeben, die vielversprechend wirken, bin ich auf jeden Fall offen, wieder mit Methoden künstlicher Intelligenz zu arbeiten. Beispielsweise könnte der Bereich Qualitätssicherung, insbesondere für Medizinprodukte, interessant sein.
Wir bedanken uns für Ihre Zeit und das Gespräch.
Über die MT.DERM GmbH:
Die MT.DERM GmbH mit Sitz in Berlin ist spezialisiert auf das Einstechen von Substanzen in die Haut. Die Zielgruppen sind dabei vielfältig: Das beginnt beim Pharmaunternehmen, um Wirkstoffe und Impfstoffe zu injizieren, geht weiter über Ärzte und den Bereich des Micro-Needling und Narben- sowie Faltenreduktion, betrifft den Bereich der Kosmetik, etwa das Eintragen von Wirkstoffsubstanzen bis hin hin zu Tätowierern. Das in Deutschland produzierende Unternehmen ist sehr stark in der Forschung und Entwicklung aufgestellt und vertreibt über verschiedene Marken je nach Zielgruppe seine Produkte in Deutschland. Die Produkte der MT.DERM GmbH werden über die Marken Cheyenne Tattoo, amiea, artyst international und AmieaMed vertrieben.