Anton-Gernot Idstein-Ladebauer sitzt auf einem Gymnastikball in der Wakeup Lounge (Kaffeeküche) des Startup-Unternehmens ARMLEUCHTER, das fluoreszierende Kleidung entwickelt und wartet auf die Mitglieder des Scrum-Teams, für die er die Rolle des Scrum-Masters erfüllt. Gleich startet das daily standup, das tägliche 15 Minuten-Treffen des Entwicklungsteams. Sie besprechen den vergangenen Tag und tauschen sich aus, was anliegt. Dies geschieht nach strengen Regeln und ist auch pünktlich beendet, die Entwicklungsarbeit wird fortgesetzt.
Es gibt bei ARMLEUCHTER drei dieser Teams, die sich unterschiedliche Teile der Software- und Materialentwicklung kümmern. Insgesamt arbeiten bei ARMLEUCHTER etwa 35 Personen. Alle Arbeit wird nach agilen Prinzipien erledigt. Die Mitarbeiter kommen fast jeden Tag mit den Firmen-E-Bikes in den einzigen Standort des Unternehmens in einer nordrhein-westfälischen Großstadt.
Das alles funktioniert wunderbar. Anton-Gernot und seine Mitstreiter können schnellstens auf geänderte Anforderungen reagieren und stellen in kurzen Intervallen nutzbare Mehrwerte ihrer Produkte zur Verfügung und können diese auch gleich in der Produktion umsetzen.
Kein Platz für Agilität im Konzern
Da hat es das Großunternehmen Klotz & Klobig Kleb- und Kontaktstoffe AG deutlich schwerer. Schließlich basieren die agilen Methoden in erster Linie auf kleinen, lokalen Teams, die sich selbständig organisieren und in ständigem Kontakt sind. Das ist bei der 4K AG mit ihren etwa 90.000 Mitarbeitern weltweit nicht möglich. Hier wird klassisch nach Wasserfall und in Release-Zyklen gearbeitet, die teilweise Jahre im Voraus geplant sind. Was beschlossen ist, wird gebaut – egal ob es dann noch jemand braucht oder nicht. Da ist dann kein Platz für Agilität.
Oder etwa doch? Zumindest gibt es eine Anzahl von Anbietern, die Rahmenwerke bereitstellen, mit denen es auch großen Unternehmen möglich sein soll, von den Segnungen der agilen Arbeitswelt zu profitieren. Sie basieren darauf, die kleinzellige agile Arbeitswelt durch sinnreiche Zusammenfassungen skalierbar zu machen. Auf jede beliebige Größe, wenn gewünscht. Der Vorstand der 4K AG hat nun beschlossen, agil zu werden. Sodann wurde die vollständige Erreichung der Agilität für in 15 Monaten als realistisch erklärt und dem kompletten Unternehmen verordnet, von der Presseabteilung bis in die Lagerhaltung, von der Vorstandsvorsitzenden bis zum Pförtner. Das mittlere Management wurde beauftragt, die genauen Anforderungen zu spezifizieren, die Kosten des Umsetzungsprojektes zu kalkulieren und einen Meilensteinplan über die komplette Laufzeit zu erstellen, der pro Quartal mindestens einen Major Milestone enthalten sollte. Die Meilensteinerreichung wird durch einen Lenkungsausschuss bestehend aus den Leitern aller Geschäftsbereiche quartalsweise überwacht. Abweichungen sind nicht vorgesehen.
Agiles Projektmanagement in der Klassik
Dem Abteilungsleiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung für schnellklebende Industriekleber Brad Pritt geht das alles zu langsam. Er schickt seine Mitarbeiter auf Kanban- und Scrum-Schulungen und fängt einfach mal an. Leider passen seine Arbeitsergebnisse, seine Taktung und seine Prozesse nicht mehr in das noch klassische Umfeld. Die Reibungsverluste und Missverständnisse auch in anderen Bereichen häufen sich. Der ehrgeizige Projektplan gerät ins Schlingern, der mangelnde Fortschritt lässt sich auch mit Melonenberichten nicht mehr kaschieren.
Inzwischen fällt auf, dass in einer agilen Organisation eine ganze Reihe Hierarchie-Ebenen und Führungspositionen nicht mehr benötigt werden. Das Bekenntnis der mittleren Führungsebene für die Umstellung geht verloren. Das Projektziel wird angepasst und die meisten Veränderungen werden nicht umgesetzt. Allerdings werden alle Abteilungsbezeichnungen in Entlehnungen aus der agilen Nomenklatur geändert und eine tägliche Telefonkonferenz für jedes Team eingeführt. Jede Abteilung führt außerdem ein Kanban-Board.
Nach 18 Monaten wird das Projekt zum Erfolg erklärt und die vollständige agile Transformation proklamiert. Erstaunlicherweise bleiben die erwünschten Effekte weitgehend aus. Brad Pritt arbeitet inzwischen bei einem kleinen Unternehmen und entwickelt Klebstoffe für fluoreszierende Textilien.
Agile Transformation in großen Unternehmen
Ist also die Transformation eines großen Unternehmens zu agilen Arbeitsweisen eine Illusion und nicht möglich? Das muss nicht sein! Jedoch ist nicht jedes Unternehmen geeignet und es ist auch nicht für jedes Unternehmen sinnvoll, nur weil es gerade modern ist. Zudem ist es auch möglich, die Teile eines Unternehmens zu agilisieren, für die diese Methoden vorteilhaft sind. Entscheidend ist jedoch, dass ein ganzheitlicher Ansatz gewählt wird und auch die Umsetzung auf agile Weise durchgeführt wird. Dabei muss das Top-Management Vorreiter sein und die gesamte Belegschaft mitnehmen.
NOVEDAS-Projektleiter nutzen schon lange die Vorteile agilen Vorgehens in ihren eigenen Projekten und können auch Ihr Unternehmen unterstützen Ihre (IT-)Organisation auf agile Arbeitsweisen umzustellen.